Der alleinige Arztbesuch „ist Schnee von gestern”

21.04.2021

Augenarzt Prof. Dr. Hagen Thieme über Digitalisierung und neue Mediennutzung

Zukunftsdenker und Kooperationspartner der HealthCareFuturists Prof. Dr. Hagen Thieme, Direktor der Universitätsaugenklinik Magdeburg, hat dem Ärztenachrichtendienst ein Interview gegeben. Darin spricht und der aktuelle Präsident der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG), über die zunehmende Digitalisierung in der Augenheilkunde.

Thieme beschreibt aber insbesondere, wie Patienten heutzutage mit gesundheitsbezogenen Problemen umgehen. Patienten nutzen, ihm zufolge, in erster Linie das Internet, um an Informationen zu kommen und Lösungen für ihr Problem zu finden. Dabei sei das größte Problem, dass Patienten leider auch auf „unkontrolliertes Herumschwadronieren“ treffen. Dies sei keineswegs im Sinne der Medizin. Thieme fordert: „In der Augenheilkunde brauchen wir unbedingt einen besseren Anschluss an diese neuen Medien“, und fügt hinzu, die DOG müsse genau dort aktiv handeln und präsent sein, um Patienten zu unterstützen. Dies könne er sich zum Beispiel in Form von Podcasts oder YouTube Videos vorstellen. Vor allem die Videos seien wichtig, so Thieme, um möglichst viele Patienten zu erreichen. Darüber hinaus sagt Thieme: „Der Arztbesuch als alleinige Informationsquelle ist Schnee von gestern, wir sollten und dürfen uns daher nicht vor diesen Medien sperren. Denn die Patienten nutzen sie sowieso!“

Zudem, so Thieme, sei es wichtig, die Patienten abzuholen, indem man Informationen und Emotionen zu gleichen Teilen vermittelt. Hinzu käme, dass Netzhauterkrankungen in Zukunft häufiger auftreten können, da „eine Welle an „Babyboomer“-Patienten“ auf uns zu käme.

Über die Digitalisierung in seinem Fachgebiet, sagt Thieme zunächst folgendes: „Da hat die Augenheilkunde eine ganze Menge im Köcher! Denn gerade dort generieren wir über eingesetzte Untersuchungsverfahren, wie zum Beispiel Netzhautfotografie oder OCT-Angiografien Datenmengen, die wir kaum mehr überblicken und auswerten können. Die sogenannte „Künstliche Intelligenz“ (KI) kann hier wertvolle Hilfe leisten.“ Die künstliche Intelligenz werde in der Augenheilkunde bereits für mehrere Verfahren angewendet. Glaukom-Patienten hätten beispielsweise die Möglichkeit über einen eingesetzten Chip den Augeninnendruck regelmäßig zu kontrollieren. Auch eine Gesichtsfeldprüfung werde bereits angewendet. Damit lasse sich die Gefährdung für ein Glaukom vorhersagen oder auch der Krankheitsverlauf bewerten. Thieme fügt allerdings hinzu: „KI soll die Ärzte nicht ersetzen, sondern sie unterstützen.“

„Künstliche Intelligenz kann die Diagnostik und Verlaufskontrolle von Augenerkrankungen wert- und sinnvoll unterstützen.“

Für einige Fälle sei ein Praxisbesuch bereits gar nicht mehr notwendig. Zum Beispiel erklärt Thieme, dass Patienten mit diabetischer Retinopathie mit einem Handyadapter ihren Augenhintergrund darstellen können, um mögliche Verschlechterungen dokumentieren zu können. All das sei zwar technisch möglich, allerdings sei noch nicht alles in der Routine Anwendung angekommen. Er sagt auch, dass es wichtig sei allen Beteiligten die Angst vor KI zu nehmen, um „den Zug nur nicht abfahren (zu) lassen“. Das sei ihm als amtierender DOG-Präsident ein großes Anliegen.

Potenzial der digitalen Augenheilkunde, sieht Prof. Dr. Hagen Thieme bezüglich KI im Zusammenhang mit der Früherkennung von kindlichem Glaukom. Diese Erkrankung werde in den meisten Fällen nicht von den Eltern erkannt und so könne mit Hilfe von KI bei jedem Kind vorsorglich ein Scan gefertigt werden, um den Eltern dann ggf. zu einem Augenarzttermin raten zu können. Wie gut die KI uns bei der Diagnostik und Verlaufskontrolle von Augenerkrankungen helfen könne, so Thieme, hänge von der Qualität der Daten ab. Er ergänzt: „Wenn wir Gutes reingeben, kommt auch Gutes dabei raus!“.

Bei so vielen Formen und Möglichkeiten der Digitalisierung kommt natürlich auch das Thema Datenschutz auf. Denn Daten bieten für den Großteil der Verfahren die entscheidende Grundlage. Thieme ist sich bewusst, dass sich zum Thema Datenschutz auf dünnem Eis bewegt würde. Es sei fraglich, sagt er, ob die KI das alles überhaupt dürfe. Jedoch fügt er hinzu: „Wenn wir das richtig machen, haben alle was davon – Ärzte und Patienten“.

Abschließend sagt der amtierende Präsident der DOG, sei die künstliche Intelligenz in der Augenheilkunde eine wertvolle Unterstützung. Zudem, ergänzt er, seien eine Automatisierung und neue Konzepte notwendig, um die Patientenflut bewältigen und die Früherkennung von Augenkrankheiten gewährleisten zu können. Die Wartezeiten für Termine in augenärztlichen Praxen seien enorm. Daher solle die DOG für diese neuen Konzepte offen sein und durch Aufklärungsarbeit unter den Augenärzten deren Nutzen bewerben.

Quelle: https://www.aend.de/articleprint/210241 „Wir müssen die neuen Medien besser nutzen!“ – Ärztenachrichtendienst

Was kann digitale Zukunftsmedizin? Das erfährst Du hier bei Dr. Future – dem Kanal für digitale Transformation im Gesundheitswesen.

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