Microsoft „OneNote“ ist auch mein Baby

29.03.2021

HCF Geschäftsführer Christian Kauth über programmierende Elektroingenieure und lernende Roboter

Dr. ing. Christian Kauth ist seit März 2021 Geschäftsführer der neu gegründeten HealthCare Futurists Schweiz GmbH. Im Interview erzählt der 36-Jährige Elektroingenieur aus Fribourg, warum er sein Hobby – das Programmieren –doch noch zum Beruf gemacht hat, wie er zu Microsoft kam, dort die Entdeckung der Kollaboration-Tools mit verantwortet hat – und warum er Stammgast auf Hackathons und Schrauber-Events ist.

Dr. ing. Christian Kauth – Für Programmier-Wettbewerbe um den Globus gereist.

Wie wird ein Elektroingenieur Programmierer bei Microsoft in der Unternehmenszentrale in Redmond/ Washington State?

Microsoft kam zur Rekrutierung an die Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne, das Auditorium war bis zum Rande voll. Der Präsentator hatte aber Verspätung und ich eine Verabredung zum Tanzkurs. Das Interview haben wir dann telefonisch nachgeholt, ich wurde nach Seattle zu einer weiteren Runde eingeladen, und ein Jahr später hatte ich meinen ersten Arbeitstag in Redmond.

Moment Mal, Microsoft suchte Programmierer! Keine Elektrotechniker!

Schon als Jugendlicher haben mich Algorithmen begeistert und ich bin um den Planeten zu Programmierwettbewerben gereist. Wie die Codezeilen aber den Elektronenfluss in Chips steuern, blieb mir weiterhin ein Rätsel – ich brauchte Zugang zu Elektronikkenntnissen und Labors. So habe ich mich entschieden Elektroingenieurwesen zu studieren. Ich habe aber auch während des Studiums weiter programmiert – und einen Programmierklub an der Uni und dann den Helvetic Coding Contest begründet, den es in der Schweiz heute immer noch gibt. Naja, so kam eins zum anderen – und dann Microsoft.

„Ich habe den Programmierklub an der Uni begründet.“

Redmond, um genau zu sein. Eine Stadt so groß wie Troisdorf?

Troisdorf?

Ein Vorort von Köln. Aber der ist größer als Redmond, sehe ich gerade.

Redmond hat 65.000 Einwohner. Aber immerhin, hier residiert das Headquarter von Microsoft. Die „Floating Bridge“ führt über den Lake Washington nach Seattle, zum Amazon Headquarter. Die Region gilt als „Home of the Cloud“, wobei das aber auch meteorologische Gründe haben mag. Auch Boeing und Starbucks hatten Ihren Ursprung hier. Ich hatte da eine fantastische Zeit. Ich war im Team, das Microsoft OneNote mit entwickelt hat. Das war aufregend.

Wie war das Arbeitsklima – das US-amerikanische New Work, dass Du da erlebt hast?

Ich erinnere mich an ein Teammeeting, in dem ich mich über etwas beschwert habe – und sagte, das müssen wir anders machen. Wenn man das so sagt in einer Teambesprechung – in Lausanne oder Köln – dann sagt der Chef: toll Christian, Du denkst mit, das nehmen wir direkt auf die Liste oder legen es dem und dem Gremium vor – und dann schauen wir mal. Aber in Redmond/ USA hat das der Chef nicht gesagt. Sondern: Ok, dann ändere das, kriegst Du das bis kommende Woche hin? Wow, Ownership wird da wirklich gelebt. Das werde ich meinen Lebtag nicht vergessen.

„OK, dann ändere das! Ownership wird bei Microsoft wirklich gelebt.“

Mindset am Microsoft Headquarter – „Dann ändere es. Schaffst Du das bis nächste Woche?“

Und hast Du´s hingekriegt?

In der Zeit alleine wohl kaum, aber bei 50.000 Mitarbeitern am Campus, lässt sich schnell mal über die Mittagpause eine kleine Crew zusammenwürfeln die Hand anlegt, oder weiß, wo sich nützliche Code-Schnipsel rumtummeln. Die Änderung hatte noch vor dem Wochenende bereits alle Tests bestanden.

Microsoft musste sich damals mehr oder weniger neu erfinden. Wie war das, was hast Du mitbekommen?

Zum einen war Gates Mission „Ein Computer auf jedem Schreibtisch und in jedem Haus“ nicht mehr zeitgemäß. Und zum anderen kommt mit neuen Leuten neuer Wind in die Segel. Nadella und ich haben fast am selben Tag bei Microsoft begonnen, nur in unterschiedlichen Rollen … 😉 Ich habe am Code rumgeschraubt, er an der Organisation. Diese sollte vereinfacht werden, mit flacherer Hierarchie und mehr Agilität. 18.000 Arbeitsplätze wurden abgebaut. Die Rollen sämtlicher Ingenieure wurden überarbeitet – die strikte Trennung zwischen Entwickler- und Tester Rolle verschwand. Plötzlich war der Programmierer selber für die Tests seines Codes verantwortlich, ein Mindset, das die Codequalität schneller reifen lässt. Die neue Mission lautet „Jede Person und jede Organisation auf dem Planeten befähigen, mehr zu erreichen.“ Gefällt mir!

Warum hast Du bei Microsoft nicht Karriere gemacht? Nach eineinhalb Jahren bist Du zurück in die Schweiz.

Heimweh – in zweierlei Hinsicht: Nach der Liebsten und nach der Schweiz. In der Schweiz wandern wir ohne Bärenspray, man genießt die Landschaft einfach mehr. Aber ich war traurig zu gehen, die anderthalb Jahre bei Microsoft haben mir die Augen geöffnet – wie unkompliziert man ein Problem in die Hand nehmen und eine Lösung bauen kann: Zu wissen, was an Technologie vorhanden ist, wie man wertvolle Zeit spart und wie man Kreativität in neue Sphären befördert. Mein Blick hatte sich geweitet, in mir steckte nicht nur der programmierende Elektroingenieur, sondern auch ein Unternehmer.

Wenn Du nicht schon da wärst – würde ich sagen – das war die perfekte Bewerbungsrede für die HealthCare Futurists.

Stimmt. Arbeit vom Problem herdenken, nah am Kunden sein, die ganze Customer Journey im Blick – und immer vernetzt arbeiten, viele verschiedene Disziplinen am Tisch, die in dieser Mischung zu Lösungen kommen, zu der jeder allein für sich niemals gekommen wäre. Darum geht es bei den HealthCare Futurists. Wir alle sind Schrauber, Ausprobierer, Lust-auf-Zukunft-Haber.

Dann machen wir doch mal den Elevator Pitch. Du hast 30 Sekunden, um mir – dem potenziellen Kunden – zu erklären, wer oder was die HealthCare Futurists eigentlich sind.

OK. Geht los …

Wenn Du ein sich wiederholendes/rekurrentes Problem hast, lässt sich das wahrscheinlich mit Hilfe von KI automatisieren. Wir stellen Dir das komplette Lösungsteam zusammen. Programmierer, Ärzte, Data Scientists – alle, binnen weniger Tage. Und dann auf in den Sprint, auf zum MVP.

Wenn Dir die Inspiration fehlt, Du Change und Transformation benötigst, ein Klima des Neuen schaffen und Deine Mitarbeiter motivieren willst – dann bist Du bei uns ebenfalls richtig. Wir haben das Besteck zum Infizieren. Ob mit unseren Hackathons, Innovation-Labs, dem Maker-Mobil oder dem HealthCare Tomorrowland mit über 1.000 Gadgets und Wearables zum Anfassen, Ausprobieren und Aufschrauben.

Was uns von vielen unterscheidet: wir schreiben Innovation nicht auf Power-Point-Folien. Wir bauen und testen sie immer wieder selbst. In unseren Garagen stehen keine Autos, sondern 3D-Drucker oder Elektro-Arbeitsplätze. Wir haben die Ohne-Arzt-Praxis genauso aus der Taufe gehoben wie die Health Literacy-Anwendung Jakiba. Oder denk an unser Projekt „Faster than Corona“, Citizen Science, um über Biomaker Zusammenhänge bei den Corona-Infektionen aufzudecken, die sonst kein Mensch so schnell sehen kann. Wir nennen uns gerne Make-Tank.

Sind die 30 Sekunden schon vorbei … 

Teilnehmer an einem HealthCare Futurists Hackathon – „Ein Klima des Neuen schaffen.“

Wir sind längst oben … Was ist die Strategie für die Schweiz, wo soll es hingehen?

Zunächst haben wir hier viele Kunden hinzugewonnen, vor allem im Pharma-Bereich. Wir können die Beziehungen besser vertiefen, wenn wir vor Ort sind. Zudem bringt mein Mit-Geschäftsführer Tobias Gantner Erfahrungen beim Market Access für Arzneimittel mit, ich die Erfahrungen um Künstliche Intelligenz. An dieser Schnittstelle haben wir in verschiedenen Beratungsmandaten aufgezeigt, dass wir die Arbeit der Market Access Manager entscheidend vereinfachen können. Diesen Geschäftsbereich möchten wir ausbauen.

„Wir bauen Schnittstellen zwischen Market Access und KI bei Arzneimitteln.“

Was unterscheidet den programmierenden Elektroingenieur vom programmierenden Programmierer?

(lacht). Auch wenn ich meine KI´s in der Cloud trainiere, mag ich sie danach aufs Metall bringen – in ein medizinisches Gerät, oder in einen Roboter. Da habe ich dann Heimvorteil: Ich programmiere nicht nur den Roboter, dass er was dazulernt – ich verstehe auch, was innen drin abläuft, damit er sich in Bewegung setzen kann. Einiges löst sich situationsbezogen besser mit Software, anderes mit Hardware. So stelle ich viel mehr Fragen und habe manchmal auch mehr Antworten – oder hoffentlich die besseren.

Ein praktisches Beispiel: Neulich sollte ich mir Gedanken machen, wie man ein medizinisches Ultraschall-Gerät mit Künstlicher Intelligenz ausstatten kann, do dass jedermann – auch Patienten – selber schallen und das „Schneegestöber“ auf dem Ultraschall-Bildschirm problemlos entschlüsseln können.

Wir haben dann im ersten Workshop gar nicht über KI gesprochen, sondern darüber, welche Sensorik man in den Ultraschall-Kopf hineinbauen kann und muss. Die beste KI hilft nichts, wenn das Gerät keine Zahlen und Daten liefert, die die KI in Logiken übersetzt, um daraus wieder Rückschlüsse zu ziehen.

An diesem Punkt, glaube ich, bin ich anderen überlegen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Ron Voigt.

Was kann digitale Zukunftsmedizin? Das erfährst Du hier bei Dr. Future – dem Kanal für digitale Transformation im Gesundheitswesen.

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